Junges Vögelchen am Boden – was tun?

von Sandra Julius

Der Nachwuchs vieler Vögel ist geschlüpft und wird in den nächsten Wochen flügge. Bei einigen Vogelarten ist es nicht unüblich, dass die Jungvögel ihr Nest noch vor ihren ersten erfolgreichen Flugversuchen verlassen. In der Regel werden sie von ihren Eltern auch ausserhalb des Nestes weiter gefüttert. Wichtig zu wissen ist deshalb: Nicht jeder Jungvogel am Boden benötigt Hilfe.

Das Brutgeschäft einiger Vogeleltern ist schon weit fortgeschritten. Viele Vogelbabys sind geschlüpft, wurden fleissig gefüttert und sind so langsam sogar schon bereit, das Nest zu verlassen und fliegen zu lernen. In der Zeit, in der die Jungvögel flügge werden, kommt es öfters vor, dass einzelne Jungvögel am Boden oder in Bodennähe aufgefunden werden. Das ist nicht immer ein Grund zu Beunruhigung. Die Jungen vieler Vogelarten verlassen ihr Nest bereits, bevor ihr Gefieder vollständig ausgebildet ist und sie selber schon richtig fliegen können. In der Regel werden sie weiterhin von ihren Eltern gefüttert und bleiben mit ihnen über Bettelrufe in Kontakt.

Oft entfernen sich die Eltern, solange ein Mensch in der Nähe ist, kümmern sich aber wieder um ihren Nachwuchs, sobald man sich entfernt. Der Schein kann also trügen – nicht jedes Vogelbaby am Boden ist eine Waise und auf Hilfe angewiesen. Im Gegenteil, den vermeintlich in Not geratenen Jungvogel mitzunehmen und ihn zuhause zu füttern, kann für den Vogel gefährlich sein und muss immer mit Experten abgesprochen werden. Privatpersonen benötigen in der Schweiz ausserdem eine Bewilligung für die Aufzucht und Haltung von Wildtieren, auch Vögeln. Dazu kommt, dass die Überlebenschancen von Wildvögeln um ein Vielfaches höher sind, wenn sie in freier Wildbahn verbleiben, als wenn sie in eine Pflegestation kommen.

Wenn Sie ein scheinbar verlassenes, junges Vögelchen antreffen, lohnt es sich, die Situation aus mindestens 50 Meter Entfernung über längere Zeit (1-2 Stunden) zu beobachten, um sicherzugehen, dass es sich wirklich um eine Waise handelt. Befindet sich der junge Vogel an einer gefährlichen Stelle, zum Beispiel auf einer befahrenen Strasse oder an einem Ort, an dem er Katzen ausgeliefert wäre, können Sie ihn im Umkreis von 5 Metern vom Fundort auf eine Hecke oder einen Baum setzen, die Vogeleltern finden ihn dort. Entgegen der weitverbreiteten Meinung verstossen die Eltern das Vögelchen nicht, wenn es kurz von Menschen angefasst wurde.

Sollte es sich tatsächlich um eine Vogelwaise handeln, ist es wichtig, Experten hinzuzuziehen bevor man den Vogel mit zu sich nachhause nimmt. Gute Anlaufstellen sind beispielsweise die Vogelwarte (vogelwarte.ch | 041 462 97 00), die Pflegestation «Volière Zürich» (voliere.ch | 044 201 05 36) oder der Tierrettungsdienst (tierrettungsdienst.ch | 0800 211 222).

Die Naturstation Silberweide hingegen ist keine Pflegestation, wir können keine Vogeljungen aufnehmen und auch nicht so genau Auskunft geben, wie die oben genannten, spezialisierten Anlaufstellen.

Eine Ausnahme bilden Mauersegler. Mauersegler am Boden befinden sich immer in Not. Jungvögel ausserhalb des Nestes werden von den Eltern nicht weiter gefüttert und auch erwachsene Mauersegler können nicht aus eigener Kraft vom Boden aus starten. Besprechen Sie am besten noch am Fundort das weitere Vorgehen mit einer der oben genannten Anlaufstellen.

 

Foto (oben, Andrea Fosco, Greifensee-Stiftung): junges Blaumeischen ausserhalb des Nestes

Foto (unten, Josef Hlasek): Mauersegler

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